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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 64

1911 - Erfurt : Keyser
— 64 — Monate nach ihr schied auch die deutsche Gräfin, welche ihrem Gemahl noch drei Kinder geschenkt hatte, aus dem irdischen Leben. Sie wurde ihrer vorangegangenen schwesterlichen Freundin zugesellt. Der Graf selbst verschied im 60. Lebensjahre, und seine Kinder, zwei Söhne und drei Töchter, ließen ihn zwischen den beiden Frauen bestatten, auch für alle drei einen herrlichen Grabstein künstlich Herrichten, darauf ihre Bildnisse zu ersehen sind. Später ist ihr Stein vom Skt. Petri-Berge herabgebracht und im Dome zu Ersurt ausgerichtet worden, ein redender Sagenzeuge sür alle kommenden Jahrhunderte. (Nach L. Bechstein.) 20. Der Kinderfcmz. Von Erfurter Sagen ließe sich allein ein Buch süllen; es gibt deren sehr viele, sehr schöne und sehr schaurige. Ersurt, des Thüringer Landes uralte Hauptstadt, ward früh von der Poefie geküßt und bekränzt. a) Schon im Jahre 1212 war eine wunderbare Erregung unter die Kinder in Thüringen und Sachsen gekommen. Ein Knabe wandelte durch Städte und Dörfer und sang ein Kreuzlied. Sein Inhalt war, Christus wolle ihnen sein heiliges Kreuz, das noch in Türkenhänden fei, zu eigen geben. Da faßte alle Knaben, die ihn fingen hörten, eine Betörung, das Kreuz zu erobern. Sie traten in großen Haufen die Reise gen Jerusalem an, und weder gute noch böse Worte, weder Bitten noch Banden, weder Sanftmut noch Schläge hielten sie zurück. Die Mehrzahl der armen Kreuzfahrer kam schon in den Schweizer und Tiroler Alpen durch Frost und Hunger um, und die so glücklich waren, Schiffe zu erreichen, verdarben durch Sturm und Wellen. b) Im Jahre 1237 am 15. Juni ereignete sich eine gar wunderbare Begebenheit. Ueber 1000 Erfurter Kinder vereinigten sich zu einem großen Reigen. Sie zogen durch das Löbertor dem Steiger zu und die Höhe auf dem alten Wege hinan, über Waltersleben, Eischleben, Ichtershausen und Rudisleben, immer tan zend und singend. Gegen den Abend kamen sie sehr müde nach Arnstadt, wo sie von den Bürgern, die gar nicht wußten, was dieser Kinderzug bedeuten solle, ausgenommen wurden. In Ersurt aber entstand Schrecken und Jammer, denn in zahllosen Häusern wurden die Kinder vermißt. Niemand wußte, wo sie geblieben und wohin sie gekommen waren, bis die Botschaft von Arnstadt kam, daß die Kinder dort seien. Da wurden am andern Morgen viele Wagen angespannt und die Kinder wieder geholt. Den Arn-städter Bürgern wurde viel Dank gesagt, auch eine Spende in den Dom gestiftet. Niemand aber wußte zu sagen, was die Kinder verleitet, so weit fortzuziehen ohne Urlaub und Wegkunde. Auch blieben viele dieser Kinder hernach bleich und krank und zitternd, waren stets müde und hinfällig. Ihr Tanz war eine Volkskrank-

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 10

1911 - Erfurt : Keyser
— 10 — Ankunft des Leichenzuges: Längst ist der Frühling ins Land gezogen. Die Erde hat sich in ihr blühendes, duftiges Gewand gekleidet, und Wald und Flur sind belebt von einem munteren Vogelvölkchen; sonst aber ist es feierlich still. Nahe am Bache stehen mehrere Männer in leise geführtem, ernstem Gespräch. Emer von ihnen blickt, um die Zeit zu messen, zur Sonne. Auf seine Bemerkung halten die andern prüfende Ausschau. Dann streckt der eine die Hand dorthin, der andere in entgegengesetzter Richtung, der dritte nach Süden, und von allen Seiten sieht man, hier vereinzelt, dort in Gruppen, Menschen dem Tale zuschreiten, Männer und Weiber, Knaben und Mädchen. Plötzlich kommt größere Bewegung in die Menge der Anwesenden. Alle Köpfe wenden sich nach Süden. In feierlichem Zuge nahen sich die Leidtragenden mit der Leiche des Häuptlings von der Höhe des Rockhäuser Berges herab. Ueber den leblosen Körper ist ein Linnentuch gebreitet. Sechs Männer tragen das Brett, das als Bahre dient. Vor dem Toten schreiten die zahlreichen Diener und Dienerinnen, Gefäße der verschiedensten Art tragend, die aus Erde gefertigt sind, bauchige Urnen, weite Schalen und flache Schüsseln. Unmittelbar vor der Leiche gehen zwei Diener, die das Bronzeschwert und den mit Bronzeplatten und feinen Nägeln aus demselben Metall prunkend beschlagenen Schild tragen. Zunächst hinter den Trägern schreitet die Witwe des Verstorbener^ ihr folgen die übrigen Versippten. Sie ist eine hohe, schlanke Frau von edler Haltung; ihr Antlitz zeigt tiefen Schmerz.' Heute trägt sie nichts von dem sonstigen reichen Bronzeschmuck; kerne wertvollen Bronzeringe zieren ihren Oberarm, keine bronzenen Zierplatten schmücken die Brust, keine der oft snßlangen Bronzenadeln dient dem langen Linnengewand als Hafte. Das Begräbnis: An einem bevorzugten Platze des Fried-Hofes setzen die Träger das Brett mit dem Leichnam nieder. Ein Greis, den die Kleidung vor den übrigen auszeichnet, tritt jetzt vor. Es ist der Richter in streitigen Sachen und zugleich der Priester für die ganze Niederlassung. Er wendet das mit langem Barte geschmückte Gesicht der östlichen Himmelsgegend zu und spricht ein Gebet; denn dieses Volk verehrt ein höheres Wesen und glaubt an ein Fortleben im Jenseits. Dann wendet er sich zu den Umstehenden und hält dem Geschiedenen eine Gedächtnisrede. In den Mienen der Zuhörer ist zu lesen, daß die Worte des Redners den Tatsachen entsprechen. Nun legen die Träger den Toten auf den sorgsam geebneten Boden einer mäßig tiefen Gruft und Diener führen das Lieb-lingspferd herbei. Ein dumpfer Schlag ertönt. Wie vom Blitze getroffen, stürzt das Roß zu Boden. Betäubt, empfindet es nicht, daß fein Blut dahinrieselt. Als das letzte Lebenszeichen erloschen, legen die Männer das Tier dem Verstorbenen zur Seite; er soll im Jenseits nicht ohne sein erprobtes Roß sein.

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 34

1911 - Erfurt : Keyser
— 34 — kamen ihren Feinden zuvor. Sie gingen sofort zum Angriff auf die Königsburg über. In ihrer Sicherheit halten die Thüringer unterlassen, Wachen auszustellen. Ohne irgend einen Widerstand gelang es darum den Sachsen, die Burg in der Nacht zum 1. Oktober 531 zu nehmen. Die im tiefen Schlafe liegenden Thüringer wurden entweder niedergemetzelt oder gefangen genommen. König Jrminsrid mit seiner Familie und einem kleinen Gesolge entkam dem Blutbad. An den nächstfolgenden drei Tagen feierten die Sachsen ein großes Siegesfest. Aufteilung Thüringens: Der Kampf war durch das Ein- greifen Der Sachsen beendet, und Theodorich mußte nun gute Miene zum bösen Spiel machen und ihnen Nordthüringen zu freiem Eigentum als Siegesbeute abtreten. Er selbst behielt alles Land südlich der Unstrut, der Helme, des Sachsgrabens bei Wallhausen und des Harzes. Die unterjochten Thüringer mußten von nun an einen jährlichen Schweinezins, man sagt 500, an die königliche Kammer zu Metz entrichten. Untergang des Thüringer Königshauses: Wohl war Jr-minsrid mit den Seinen entkommen, aber Theodebert, Theodorichs Sohn, lockte ihn ins Frankenland, und hier soll er durch einen Sturz von der Stadtmauer, an dem jener wohl nicht ganz unschuldig war, getötet worden sein. Amalaberga dagegen war mit ihren Kindern nach Italien zu ihrem Bruder geflohen. Ihr Sohn Amalafrid kam später nach Konstantinopel und wurde Feldhauptmann im Heere des oströmischen Kaisers Jnstinian, der ihn sehr hoch schätzte. Berthar, der dritte Sohn König Bisinos, hat zu seinem Bruder Jrminsrid sicher in einem freundschaftlichen Verhältnis gestanden. Zwar berichtet die Sage, daß dieser ihn aus dem Wege geräumt habe. Doch ist diese Angabe eben sagenhaft; denn Radegunde, die Tochter König Berthars, könnte doch nicht in einem Gedichte, das der römische Dichter Fortnnatns in ihrem Aufträge niederschrieb, den Untergang des Hauses ihres Oheims mit folgenden Worten beweinen: „Nimmer vermag ich in fremdem Gebiet nach Gebühr zu beweinen Unser Geschick; der Schmerz löste zu Tränen mich auf. Jeglichen hab' ich beweint, ich allein; denn es wurde des Ganzen Unaussprechliches Leid einzig mir Aermsten zuteil. Günstiger fiel den Männern das Los, sie sanken im Kampfe; Ich, die einzige, blieb, sie zu beklagen, zurück." Berthar ist gefallen im Streit, möglicherweise sogar in der Schlacht an der Oker, fechtend an der Seite seines Bruders. In dieser Schlacht wurde Radegunde von den Franken gefangen genommen und samt ihrem Bruder dem König Chlotar als Beute zugesprochen. Dieser ließ sie in sein Reich führen und nahm sie später zur Gemahlin. Sie starb 587 zu Poitiers in Frankreich.

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 35

1911 - Erfurt : Keyser
— 35 — „Und so starben mir Aermsten dahin die lieben Verwandten, Und mein Königsstamm nahet dem Ende sich mm." Nie wieder hat es ein Königreich Thüringen gegeben. Der Name Thüringen ist zwar geblieben, aber er gilt heute nur noch für ein wesentlich kleineres Gebiet. (Nach G. Größler.) 10. Radegunde, Prinzessin von Thüringen, Königin von Frankreich. Jugend: Radegunde, König Berthars Tochter und Enkelin Bisinos, kam schon früh an den Hos ihres Oheims Jrminfrid. Da die Mutter gestorben war, hielt es der Vater wohl für geraten, seiner hochgebildeten Schwägerin Amalaberga die Tochter zur Erziehung zu übergeben. Auch den Vater verlor Radegunde bald. Wir wissen zwar nicht, in welchem Kampfe er getötet wurde, doch ist er schon vor Jrminfrid gefallen. In einem zweiten Liede „An Artachis"1) läßt Radegunde Fortnnatns für sich sprechen: „Erst ist der Vater gefallen, ihm folgte der Onkel im Tode, Beider Geliebten Verlust traurige Wunden mir schlug." Auf Burg Scidingi verlebte Radegunde sonnige Tage der Kindheit in Gemeinschaft mit ihrem Vetter und Jugendgespielen Amalasrid. J'n dem Briefe „An Amalasrid"2) gedenkt sie der glücklichen Jugend: „O, so gedenke doch nur, was in Frühlingstagen der Jugend, Lieber Amalasrid, ich, Radegunde, dir war. Wie du mich damals geliebt, ein hold ausblühender Knabe, Du, den des Himmels Huld gütig zum Vetter mir gab. Damals ersetztest du mir den gemordeten Vater, die Mutier, Schwester und Bruder, du warst alles, du Einziger, mir! Wenn du mich nahmst in den liebendenarm, wenn küssend ich an dir Hing, ergötzte das Kind höchlich ein freundliches Wort. Eine Stunde getrennt von dir, zum unendlichen Zeitraum Ward sie mir." — In fränkischer Gefangenschaft: In dem Kriege Jrminsrids mit den Franken wurde sie von den Feinden gefangen genommen und mit ihrem Bruder eine Beute des Königs Chlotar. Sie war damals gegen 10 Jahre alt. Chlotar ließ sie in sein Reich bringen und auf einem feiner Meierhöfe von den besten Lehrern unterrichten. Damals schon las Radegunde am liebsten die Bibel und die Lebensbeschreibungen der Heiligen. Sie sollten ihr das Vorbild ihres eigenen Lebens werden; auch suchte sie durch allerlei Selbstpeinigungen Gott wohlgefällig zu fein. j) Sohn einer Tochter Amalabergas. 2) Nach einer Uebersetzung von Dr. Aug. Wilhelm. 3*

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 107

1911 - Erfurt : Keyser
— 107 — in einer kleinen Truhe ausgesetzt und schwimmt an die Insel Scharioth, wodurch sein Beiname Jscharioth entstanden ist. Hier wird er von der dortigen Königin ausgenommen und erzogen, als er aber seinen Pflegebruder erschlagen hat, wieder vertrieben. Jetzt kommt er nach Jerusalem zurück, an den Hos des Pilatus. Neben dem Palast des Landpflegers liegt der Garten seines Vaters Rüben mit schönen Apfelbäumen. Den Pilatus gelüstet nach den Früchten, und Judas steigt über die Mauer, um Aepsel zu stehlen. Er wird aber dabei von Rüben ertappt, setzt sich zur Wehr und — erschlägt seinen Vater. Später nimmt er seine eigene, ihm gleichfalls unbekannte Mutter zum Weibe. Diese sündhafte Tat wird entdeckt, und voll Neue geht Judas als Jünger zum Herrn, um sich seine Sünde vergeben zu lassen. Aber auch jetzt kann er von seiner Tücke nicht lassen; er geht hin und wird zum Verräter. Wird so die biblische Ueberlieferung auf den Kopf gestellt, so geschieht es mit der kirchlichen nicht minder, wie das Beispiel des Bonisacius zeigt, dessen Tätigkeit als Apostel Thüringens von einem reichen Sagenkranz umgeben ist. Als die Thüringer sich nur zum Christentum bekehren wollen, wenn Bonisacius sie von dem Zins an die Ungarn befreit, gibt er den Bittenden die Zusage. Gott hat ihm im Traume seine Hilfe zugesichert. Erfreut nehmen jetzt die Thüringer den Bischof auf und verweigern den Ungarn den Zins, worauf diese mit einem Heere gegen sie ziehen. Die Thüringer unter Bonisacius sind viel schwächer. Bei Nägelstädt an der Unstrut stoßen beide Heere zusammen. Während des Kampfes steht Bonisacius wie Moses (2. Buch Mos. Kap. 17) auf einem Berge und betet mit erhobenen Händen für die Thüringer. Die Niederlage der Ungarn ist eine vollkommene. Viele kommen in der Unstrut um, andere versinken im Moore, der Rest aber wird in die Flucht geschlagen oder getötet. Von den Thüringern fallen nur zwei, denen auf dem Unstrutriede bei Nä-gelstädt zum Andenken zwei Kreuze errichtet wurden. Wie wir sehen, sind hier die Ereignisse den säst 200 Jahre späteren unter Heinrich I. gleich gestaltet. Als ein bezeichnendes Beispiel sür den krassen Aberglauben der damaligen Zeit kann die von Stolle erzählte Geschichte von einem Halsbande gellen. Der zweite Ratsmeister von Erfurt, Friedrich Reinboth, war mit feinem Schwager Wilhelm von Allenblumen in Erbstreitigkeiten geraten (1492). Als Allenblu-men, der nach Leipzig verzog, dort gestorben war, wollten sich seine Kinder an ihrem Oheim rächen. Sie sandten einen verkommenen Edelmann mit einem Halsbande aus, das aus Eisen gefertigt war und viele Gelenke und Stacheln inwendig hatte, ein über die Maßen köstlich und gefährlich Kleinod. Wer das an seinen Hals kriegte, mußte innerhalb 10 bis 12 Tagen sterben. Auch konnte niemand dasselbe ohne Schlüssel aufmachen, auch niemand

6. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 133

1911 - Erfurt : Keyser
— 133 — Gehorsams durchgemacht. Selbst das Leben in Armut, die geringe Kost und das häufige Fasten fielen ihm nicht schwer, da er kein verwöhntes Muttersöhnchen war. Der Novizenmeister hatte an ihm einen guten Schüler und dieser an jenem einen freundlichen Lehrer. Nie hat derselbe es nötig gehabt, seinen L-chüler zu tadeln. Er befürwortete darum nach Verlauf des Jahres die Ausnahme Martins in den Orden. Ausnahme: Heute noch ist im hohen Chor der Augustiner- kirche die Stelle zu sehen, die Luther bei seiner Prosetzleistung lang hingestreckt berührt bat. Auf dem damals unmittelbar vor dem Hochaltar gelegenen Grabmal des Angustinerpaters Johannes Zachariä, der sich auf dem Konzil zu Konstanz den Titel eines Hus-Ueberwinders erworben hatte, lag in Kreuzesform der junge Mönch und schwur mit lauter Stimme den Eid, den ihm der Prior vorsprach: „Ich Bruder Martmus tue Proseß (Gelübde) und verspreche Gehorsam dem allmächtigen Gott und der heiligen Jungsrau Maria und dir, Bruder Winand, Prior dieses Konvents, . . zu leben ohne Eigenes und in Keuschheit gemäß der Regel des heiligen Augustinus bis an den Tod." Lutherzelle: Jetzt wurde dem Bruder Martin eine eigene Zelle zugewiesen. Kaum 3 in lang und 2 m breit, hatte sie nur Raum für einen Tisch, einen Stuhl und eine Lagerstatt, letztere mit einem Strohsack und einigen wollenen Decken. Durch das einzige Fenster sah der junge Mönch aus seine letzte Ruhestätte, den Begräbnisplatz der Brüder, der rings vom Kreuzgang eingeschlossen wurde. (Zelle im evg. Waisenhaus.) Die erste Messe: In diesem engen Raum mußte sich Bru- der Martin aus das Priesteramt vorbereiten, für welches ihn seine Vorgesetzten bestimmt hatten. Er tat es mit Furcht und Zittern und unter Gebet und Fasten, da er sich sür unwürdig und un- fähig zu solch hoher Stellung hielt. Am 2. Mai 1507 las er zagend feine erste Messe, und, als er die Hostie in der Hand hielt, durchlies ihn ein Schauer. Beinahe hätte er noch während der heiligen Handlung den Altar verlassen, wenn ihn nicht sein Lehrer daran gehindert hätte. Als aber alles wohlgelungen war, da sühlte er eine hohe Freude. Sie wurde noch vermehrt durch die Anwesenheit seines Vaters, der mit einem stattlichen Gefolge von Freunden und Bekannten auf 20 Rossen nach Ersnrt gekommen war. Er ehrte den Sohn durch eine Gabe von 20 Gulden und nahm teil an dem der Messe folgenden Festmahle. Ueber Tisch sprach Bruder Martin zu seinem Vater: „Lieber Vater, warum habt Ihr Euch so hart dawider gesetzt und wäret also zornig, daß Ihr mich nicht gerne wollet lassen ein Mönch werden und vielleicht noch itzo nicht allzu gerne sehet? Jst's doch so ein fein geruhsam und göttlich Leben!" Da antwortete der starrköpfige Alte, der noch immer unmutig über den Schritt feines Sohnes war, offen und ebrlich mit der Gegenfrage: „Ihr Gelehrten,

7. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 63

1911 - Erfurt : Keyser
— 63 — Glaube jedem Manne gestattet, so viele Frauen zu nehmen, als er ernähren kann. Und die Liebe der Jungfrau und die Hoffnung auf Befreiung bezwangen den Grafen. Er gab endlich der Sultanstochter das Versprechen, sich mit ihr ehelich zu verbinden, wenn sie ihm die Freiheit verschossen und ihm folgen wolle. Die Liebe der Jungfrau wußte alle Schwierigkeiten, die sich dem Fluchtplane entgegenstellten, zu überwinden. Flucht und Heimkehr: Mit Schätzen reich versehen, ent- flohen beide ans einem Schisse und kamen nach sechswöchentlicher Fahrt zu Venedig an. Hier fand der Graf seinen liebsten und vertrautesten Diener, der ihn überall gesucht hatte. Er erfuhr vou ihm, daß daheim noch alles gut stehe. Ans diese Nachricht reiste Graf Ludwig ohne Verzug nach Rom und teilte dem Papste ©re gor Ix., den man den Großen nannte, sein Schicksal mit. Der Papst begnadigte den Grafen mit stattlichen Gaben, heiligte die Jungfrau durch das Sakrament der Taufe und gab dem Grafen Empfehlungsbriefe an den Kaiser mit. Gras Ludwig kehrte nun sofort über die Alpen durch Bayern und Franken nach Thüringen zurück. Als er noch zwei Tagereisen vom Schloß Gleichen entfernt war, reiste er der Sarazenin voraus. Er kam zu Weib und Kindern und wurde aufs freudigste von feiner Gemahlin wieder erkannt und willkommen geheißen. Der Graf teilte feiner Hausfrau alles mit und bewog sein Weib zu Dank und Liebe gegen die Fremde, durch die er die Seinen und sein Land wiedergesehen hatte. Wie sie sich nun der Burg näherte, zog ihr der ©ras mit seiner Gemahlin und seinen zahlreichen Freunden, die von allen Seiten zur Begrüßung herbeigeströmt waren, mit großem Festgepränge entgegen, holte sie feierlich ein und führte sie wie im Triumphe in die Burg. Die Stätte der ersten Begegnung am Bergesfuße, an welcher beide Frauen einander schwesterlich umarmten und küßten, wurde alsbald „Freudenthal" genannt, und der längst verwahrloste, jetzt schnell hergestellte Weg zur Burg hinan hieß fortan „der Türkenweg" (Bilder im Rathaus). Inniges Familienleben: Jederzeit hat die Gräfin von Gleichen die Sarazenin als ihres geliebten Herrn Erretterin geehrt und geliebt, und letztere hat diese Liebe durch Demut und Freundlichkeit vergolten. Niemals ist gehört worden, daß irgend ein Mißverständnis oder eine Klage zwischen den beiden Gemahlinnen des Grafen entstanden, sondern jede hat ihren Herrn in Einigkeit und Freundlichkeit allezeit lieb und wert gehabt. Die Sarazenin war mit hoher Schönheit geschmückt, aber es blieben ihr Kinder versagt, umsomehr liebte sie die Kinder der deutschen Gräfin und trug für deren Wohlergehen die fleißigste Sorge. Sie war ein Muster aller Frömmigkeit, aller Würde, aller Demut, aller Holdseligkeit und Freundlichkeit. Gemeinsames Grab: In ziemlich hohen Jahren starb sie und wurde im Skt. Petri-Stist zu Erfurt feierlich beigesetzt. Zwei

8. Von der französischen Staatsumwälzung bis zur Gegenwart - S. 34

1909 - Leipzig : Hirt
34 Ii. Frankreich als Kaiserreich. Zauber der Anmut umstrahlten sie. Ihr holdes Äußere war der Abglanz ihrer Seele, deren angeborener Adel und Schwung sich in jedem Blicke, in jedem ihrer Worte aussprach. Die fürstliche Ehe wurde das Bild eines wahrhaft deutschen Familienlebens. Die glücklichsten Tage verlebte das fürstliche Paar auf dem Gute Paretz, in der Nähe von Potsdam, das der Kronprinz zu einem stillen Landaufenthalt ausersehen hatte. Entfernt von allem Zwange, nahm das hohe Paar herzlichen Anteil an den Leiden und Freuden des Landvolkes. Beim Erntefeste mischten Prinz und Prinzessin sich unter die tanzenden Söhne und Töchter der Bauern und tanzten vergnügt mit. So blieb es, bis der Tod Friedrich Wilhelms Ii. den Kronprinzen auf den Thron rief. Nun gab es keinen Tag mehr im Leben der Königin, der nicht durch Wohltun bezeichnet gewesen wäre. Als sie mit ihrem Gemahl eine Reise durch die Provinzen machte, schlugen alle Herzen der schönen und leutseligen Königin entgegen. Aber bald schwanden die sonnigen Tage des Glückes. Es kamen die Unglücksjahre 1806 und 1807, wo die Königin nach Königsberg und Memel flüchten mußte. Aber je tiefer das Herz der Königin unter der Wucht der Schicksalsfchläge gebeugt wurde, desto erhabener richtete, sich ihr Geist auf, und während rings um sie alles den Kopf zu verlieren schien, offenbarte das so weich geschaffene Gemüt Luisens säst allein noch festen Mut. Bei den Verhandlungen, die dem Frieden von Tilsit vorausgingen, war sie zugegen. Napoleon hatte selbst gewünscht, sie kennen zu lernen. Mit Würde trat sie dem Gewalthaber, von dem sie sich gehaßt wußte, entgegen. Sie sprach offen aus, sie sei gekommen, um ihn zu bewegen, Preußen einen leidlichen Frieden zu bewilligen. Luisens Vorstellungen blieben fruchtlos. Wie schmerzhaft der Friede von Tilsit der Königin war, verbarg sie nicht. Nur eins tröstete sie, daß ihr Gemahl sich in jeder Beziehung würdig gezeigt und größer als sein Widersacher. Der Lichtpunkt in diesen Zeiten des Unglückes war für die Königin das hoffnungsreiche Emporblühen ihrer Kinder, besonders ihrer beiden ältesten Söhne Friedrich Wilhelm und Wilhelm. Über diese schreibt sie in einem Briefe an ihren Vater: „Unsre Kinder sind unsre Schätze, und unsre Augen ruhen voll Zufriedenheit und Hoffnung auf ihnen. Der Kronprinz ist voll Geist und Leben. Er hat vorzügliche Talente, die glücklich entwickelt und gebildet werden. Er ist wahr in allen feinen Empfindungen und Worten, und feine Lebhaftigkeit macht Verstellung unmöglich. Er hängt vorzüglich an der Mutter, und er kann nicht reiner fein, als er ist. Ich habe ihn sehr lieb und spreche oft mit ihm davon, wie es fein wird, wenn er einmal König ist. Unser Sohn Wilhelm wird, wenn mich nicht alles trügt, wie fein Vater, einfach, bieder, verständig. Auch in feinem Äußern hat er die größte Ähnlichkeit mit ihm. Für unsre Kinder mag es gut sein, daß sie die ernste Seite des Lebens schon in ihrer Jugend kennen lernen. Wären sie im Schoße des Über-

9. Deutsche Geschichte - S. 108

1909 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
108 Das Zrllalter der religtösrn Kämpfe 1519—1648. der Großmütige, einige andere Fürsten und die Abgesandten mehrerer Städte in dem Orte Schmalkalden im Thüringer Walde zusammen und schlossen zur Verteidigung ihres Glaubens den schmalkaldischen Bund. § 114. Zwinglis Tod. Der Mrnberger Religionsfriede. An einer Stelle brach in der Tat jetzt bereits ein Religionskrieg aus, in der Schweiz. Im Jahre 1531 fielen die Truppen der katholisch gebliebenen vier Wald-Stoütgiis f^tte *n das Gebiet von Zürich ein, und in der Schlacht bei Kappel kam auch Zwingli um, der als Feldprediger bei dem Aufgebot war. Der Kaiser aber konnte zunächst nicht daran denken, einen großen Glaubenskrieg zur Unterwerfung der deutschen Protestanten zu führen; daran hinderte ihn schon der Umstand, daß Sultan Su leim an von neuem ein gewaltiges Türkenheer heranführte. So zog er es denn vor, sich vorläufig mit den evangelischen Ständen zu vergleichen, und schloß mit ihnen 1532 Küntjerflcrden Nürnberger Religionsfrieden; es wurde bestimmt, daß bis Reneflons- frgde- zu einem allgemeinen Konzil, auf dem die religiösen Streitigkeiten ausgemacht werden sollten, zwischen dem Kaiser und allen Reichsständen Friede gehalten werden sollte. Nun sammelte sich ein starkes deutsches Reichsheer, dem auch die protestantischen Fürsten zugezogen waren. Aber es kam zu keiner Schlacht mit den Türken; Suleiman zog sich zurück. In den nächsten Jahren wurde Karl V. wiederum ganz von den Sorgen der auswärtigen Politik in Anspruch genommen; der Protestantismus konnte indessen ungestört große Fortschritte machen. B. vom Nürnberger Religionsfrieden bis zum schmalkaldischen Kriege. 1532-1545. Die Entwickelung des Protestantismus. In § 115. Die Fortschritte des Protestantismus. Der erste Erfolg, den *2?'die Evangelischen in jener Zeit errangen, war der Gewinn Württembergs, dessen Herzog U l r i ch die Reformation annahm. Dasselbe geschah in dem albertinischen Sachsen-Meißen und in Brandenburg, wo Kurfürst Jo ach im Ii. sich 1539 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt reichen ließ. 3” ®nb= Gleichzeitig ging England dem Papsttum verloren. Hier herrschte Heinrich Viii., der Sohn Heinrichs Vii. Tudor (§ 92), ein überaus eigenwilliger, launenhafter und herrischer König. Dieser wünschte sich von seiner Gemahlin, einer spanischen Prinzessin, der Tante Karls V. zu scheiden.

10. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 175

1902 - Karlsruhe : Lang
175 -— stoßen, nicht weit von der Stadt Jssns, stellte sich ihm der Perserkönig Darius Kodomannns mit einem gewaltigen Heere entgegen, um ihm das Eindringen in Syrien zu wehren. Alexander besiegte mit ungefähr 40000 Mann die fünffache Übermacht der Perser. Nunmehr eroberte Alexander Syrien und Palästina. Die große phönizische Handelsstadt Tyrus leistete ihm hartnäckigen Widerstand; nach siebenmonatlicher Belagerung ward sie erstürmt und zerstört. Ägypten, das seit 200 Jahren unter persischer Herrschast stand, wurde ohne Schwertstreich unterworfen. In günstiger Lage an der Nordküste Ägyptens wurde von Alexander die Stadt Alexandria gegründet, die bis ans den heutigen Tag der bedeutendste Handelsplatz im östlichen Teile des Mittelmeeres geblieben ist. Aus Ägypten zog Alexander wieder nach Asien, besiegte (331) den Perserkönig bei Gangamela am Tigris, eroberte Babylon und zuletzt auch Susa und Persepolis, die Hauptstädte des Persischen Reiches, und unterwarf sich in den nächsten sechs Jahren nicht nur das ganze Perserreich, sondern auch die östlich gelegenen Länder bis zum Indus. Durch Anlage von Straßen und Kanälen, durch Gründung von Festungen und Handelsplätzen, an denen sich Handelsleute und Gewerbetreibende aus Griechenland ansässig machten, wurde die Herrschaft des Königs sicher gestellt und griechische Sitte, Sprache und Bildung im fernen Osten verbreitet. Alexander wählte Babylon zu seiner Residenz. Von hier aus regierte er sein ausgedehntes Reich mit Einsicht und Kraft, freilich nicht jo_ lange, daß er fein Vorhaben, die griechische Bildung und Gesittung in den Morgenländern zu begründen und auszubreiten, hätte durchführen können. Schon im Jahre 323 starb er nach kurzer Krankheit. Nach seinem Tode entstand blutiger Streit um die Herrschaft unter feinen Heerführern, die zuletzt das Reich unter sich verteilten. Iii. Won den Wömern. 1. Die Stadt Rom. Auf dem linken Ufer des Tiberstromes, etwa drei Meilen von dessen Mündung entsernt, wurde um das Jahr 750 vor Christi Geburt die Stadt Rom gegründet. Von ihren Gründern Romulus und Remns berichtet die Sage, sie seien Zwillingsbrüder von königlichem Geschlechte gewesen; nach der Gründung der Stadt seien sie in Zwist geraten, und Romulus habe den Remns erschlagen. Auf Romulus, den ersten König der neuen Stadt, folgten noch sechs Könige; der letzte hieß Tarqninius der Stolze. Sein Sohn beleidigte eine Frau aus vornehmem Geschlechte; infolgedessen bewirkten die Adeligen einen Aufstand, der König
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